Tut endlich etwas!

Teil 1: Warum Steuerkanzleien Recruiting zur Chefsache machen sollten! (anstatt über den Fachkräftemangel zu meckern)

Viele Steuerkanzleien sind frustriert und fühlen sich hilflos, wenn es um die Gewinnung von neuen Mitarbeitenden geht. Sätze wie: „Der Markt für Fachkräfte ist leer“ oder „Dann mach ich eben alles allein“ hört man immer häufiger. Aber, ist die Lage wirklich so aussichtslos, oder haben es sich Kanzleiinhaber zu lange in der komfortablen Situation des Arbeitgebermarktes gemütlich gemacht? Ich beobachte oft Zweiteres. Deswegen lautet mein Appell: Besinnen Sie sich auf Ihre Unternehmerkompetenz, Lösungen zu finden und gehen Sie das Recruiting für Ihre Kanzlei strategisch an! Warum? Personalplanung funktioniert nicht mehr nach alten Regeln und schon gar nicht nach dem Zufallsprinzip, sondern sollte strategisch geplant und verankert sein – gerade bei inhabergeführten Steuerkanzleien.

Ist der Fachkräftemarkt wirklich leer?

Dass es einen Mangel an Fachkräften gibt, ist eine Tatsache. Allerdings stellt sich die Frage, ob der Markt an Fachkräfte tatsächlich so leer ist, wie er in den Medien dargestellt wird.

Betrachtet man ausschließlich die Personen, die aktiv nach einem Job suchen, mag die Schilderung zutreffen. Jedoch gibt es einen völlig vernachlässigten Markt, man könnte fast sagen: einen Schattenmarkt.

Ich spreche von Menschen, die sich zwar in einem festen Arbeitsverhältnis befinden, dort aber nicht zufrieden sind.

Hierzu lohnt es sich, einen Blick auf die Ergebnisse der Gallup-Studie aus dem Jahr 2022 zu werfen.

In diesem Jahr besagt die Untersuchung, dass nur ein sehr geringer Anteil der Beschäftigten (13 Prozent) eine hohe Bindung an ihr Unternehmen hat. Ein weiterer, nicht unerheblicher Anteil (18 Prozent), weist keine emotionale Bindung auf und hat bereits innerlich gekündigt.

Eine gute Möglichkeit, diese Menschen zu anzusprechen, sind Social-Media-Kanäle, die diese in ihrer Freizeit nutzen.

Gehen Sie das Recruiting strategisch an

Neue Wege zu gehen bedeutet, nicht nur anders zu suchen, sondern, die Suche zudem mit einem Plan anzugehen. Ansonsten ist die Gefahr groß, allen möglichen Trends zum Opfer zu fallen. Um dieses Vorhaben möglichst effizient anzugehen, hilft eine Recruiting-Strategie.

Bei der Entwicklung Ihrer Recruiting-Strategie können Sie sich an der Struktur einer Marketing-Strategie orientieren. Nutzen Sie die folgenden sechs Schritte:

  1. Zielsetzung definieren
  2. Zielgruppe bestimmen
  3. Kernaussage entwickeln
  4. Kanäle festlegen
  5. Maßnahmen ableiten
  6. Erfolgskontrolle durchführen

1. Zielsetzung & Zielgruppe definieren

Zunächst legen Sie Ihr Ziel fest: Wollen Sie eine konkrete Stelle besetzen oder möchten Sie Ihre Kanzlei als Arbeitgebermarke positionieren und Ihre Bekanntheit erhöhen? Oder beides?

Dann überlegen Sie sich, wen genau Sie ansprechen wollen. Welche Art von Mitarbeitenden passen zu Ihrer Kanzlei? Welche Kompetenzen, Einstellung und Werte haben diese?

2. Kernaussage entwickeln

Im nächsten Schritt geht es um die Überlegung, durch welche Aussagen sich diese angesprochen fühlen. Hierbei ist es wichtig zu bedenken, dass die Personen aktuell nicht aktiv suchen. Es ist also notwendig, im ersten Schritt Aufmerksamkeit zu wecken.

Eine Möglichkeit, dies zu tun, ist Fragen zu stellen.

Ein Beispiel: Sie lieben Zahlen und wünschen sich ein strukturiertes Arbeitsumfeld, das Wert auf einen wertschätzenden und offenen Umgang legt? Wir auch!

3. Kanäle festlegen und Maßnahmen ableiten

Parallel zu Kernaussagen steht die Überlegung an, wo die Menschen, die Sie als Zielgruppe beschrieben haben, zu finden sind.

Rennen Sie an dieser Stelle bitte nicht jedem Trend blind hinterher. Möglicherweise ist TikTok eine gute Plattform für Sie. Es ist jedoch mit Sicherheit nicht das Allheilmittel für alle.

Stehen Ansprache und Kanal, besteht der letzte Schritt darin, diese in Posts umzuwandeln und eine Kampagne daraus zu entwickeln. Hierbei sagen Bilder mehr als 1000 Worte. Bewährt haben sich kurze Imagefilme, in denen Ihr Team über Ihre Kanzlei spricht und was sie an der Arbeit und der Kanzlei schätzen.

Ihre Kampagne sollte dann auf eine Landingpage führen, die den Job und Ihre Kanzlei bei Bedarf detaillierter vorstellt. Ein besonderer Clou sind dabei 60-Sekunden-Bewerbungen. Diese bieten dem Interessent oder der Interessentin die Möglichkeit, in nur 60 Sekunden das Interesse an Ihrer Kanzlei zu bekunden. Dies senkt die Hürde erheblich.

Anmerkung: Es gibt Experten und Expertinnen, die Sie bei der Erstellung einer Kampagne unterstützen können, falls Sie selber keine Erfahrung haben. Wichtig ist, die Kampagne wirklich nach Ihren Zielen und der Zielgruppe auszurichten.

Abschließend ist es wichtig, Ihre Aktionen zu tracken und aus ihnen zu lernen…

Was Ihre innere Einstellung mit dem Thema zu tun hat

Momentan sind viele Kanzleiinhaber:innen durch den Druck auf dem Arbeitsmarkt stark verunsichert oder gar verzweifelt. In der Folge sieht man immer öfter Stellenanzeigen mit folgender Kernaussage: „Wir bieten…“ – und dann kommen alle möglichen Vergünstigungen, Annehmlichkeiten, Zusatzleistungen und obendrein ein saftiges Gehalt. Das mag auf den ersten Blick Begehrlichkeit wecken. Angesprochen wird aber eher der Typ ‚Söldner‘, der schnell kommt, aber ebenso schnell wieder weg ist, wenn eine andere Kanzlei mehr zu bieten hat.

Bleiben Sie also entspannt und besinnen Sie sich auf Ihre Unternehmenswerte. Sie haben etwas zu bieten und müssen sich sicher nicht anbiedern.

Haben Sie dann ein neues Teammitglied gefunden, ist es entscheidend, dass die Mühe und das Geld, das Sie in den Prozess gesteckt haben, auch gut investiert ist und die Person mittel- bis langfristig in der Kanzlei bleibt. Dafür lohnt es, sich mit Ihrem Onboarding zu befassen.

In Teil II der Artikelreihe dreht sich alles um den idealen Onboarding-Prozess.

Foto: Adobe Stock/©Jo Panuwat D