DAS gängige Analyse-Tool für Websites ist – nach wie vor – Google Analytics. Im Hinblick auf Datenschutz sind derartige Analyse-Tools allerdings nicht ganz unumstritten, auch und gerade der Platzhirsch. Aber sollte man aufgrund genereller Datenschutzbedenken nun vollständig auf Analyse-Tools für die eigene Website verzichten? Jein lautet die Antwort. Wer mit den Daten, die ein Analyse-Tool ausspuckt, ohnehin nicht „arbeitet“, sollte auf Google Analytics schlichtweg verzichten – ganz im Sinne der Datensparsamkeit. Wer seine Website aber zu Marketingzwecken analysieren will, kann durchaus über datenschutzfreundlichere Alternativen zu Google Analytics nachdenken – über Matomo zum Beispiel. Wir haben dem Buchautor Dietmar Fischer, der aktuell ein Buch zum Thema „Matomo Analytics“ veröffentlicht hat, einige Fragen zu dem Analyse-Tool gestellt.
Herr Fischer, Sie haben Matomo Analytics (damals noch unter dem Namen PIWIK) 2009 entdeckt. Worauf ist Ihre Faszination für das Tool zurückzuführen?
Zuerst war es die generelle Faszination, die eigene Website durch ein Analyse-Tool besser kennenzulernen – es ist ja nun mal spannend zu sehen, woher die Besucherinnen und Besucher oder die Kundschaft eigentlich kommen.
Daneben besitzt Matomo eine einfache und verständliche Oberfläche, die mich sofort überzeugt hat. Wer denkt, Matomo setzt statistisches Wissen oder mathematisches Verständnis voraus, der irrt. Jede und jeder kann mit einem oder vielleicht zwei Blicken einen guten Eindruck vom Verhalten der Leute auf der Website bekommen.
Natürlich kann Matomo noch sehr viel mehr, allerdings brauchen dies die meisten Nutzer und Nutzerinnen überhaupt nicht. Wichtige Dinge kann Matomo schnell beantworten, beispielsweise:
- Wie kommen die Besucher und Besucherinnen auf die Website: Über Facebook, Google oder Email?
- Welcher dieser Kanäle verkauft am besten?
- Wie viele Leute surfen mit einem iPhone?
- Auf welcher Seite verlieren wir die Leute wieder?
- Wie viele Besuche hat eine bestimmte Kategorie unserer Seite?
Warum ist das Tool gerade im Vergleich zu Google Analytics für Kanzleien – die ja oft in Sachen Datenschutzanforderungen eine hohe Sensibilität haben – eine ernstzunehmende Alternative?
Bei der Datenerfassung durch Google gibt es gleich mehrere Probleme, die dazu geführt haben, dass Google Analytics in Frankreich und Österreich schon verboten ist – in den anderen EU-Ländern laufen die Klagen noch.
Beispielsweise ist es problematisch, dass der EuGH den Privacy Shield gekippt hat und damit die Speicherung von Daten in den USA gerade keine Rechtsgrundlage hat. Ebenso ist die Erfassung von Daten mittels Cookies zu Werbezwecken problematisch – und Google ist eine riesige Werbemaschine: Die Google Analytics-Daten dienen als Basis für die Aussteuerung von Google-Werbung. Benutze ich Google Analytics auf meiner Seite, liefere ich diese Daten Google zu, mit allen Konsequenzen.
„Matomo hingegen läuft entweder auf dem eigenen Server oder, wenn man sich für die Cloud-Lösung entscheidet, auf Servern in der EU. Damit sind die Daten erstmal sicher. Außerdem wird nie eine Auswertung von persönlichen Daten zu Werbezwecken vorgenommen, die Daten sind voll unter unserer Kontrolle.“
Wenn wir über Sensibilität der Daten reden, dann gibt es noch einen weiteren, wichtigen Aspekt, der nicht so sehr mit den Datenschutzregelungen zu tun hat, aber mit der Möglichkeit von Google, Daten abzugreifen, die nicht in fremde Hände gehören.
Heute bin ich an einer Kanzlei vorbeigefahren, die Beratung für ALG-II-Empfänger anbietet. Surfe ich auf deren Seiten und dort ist Google Analytics installiert, kann Google mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf schließen, dass ich aktuell Hartz IV beziehe. Dieses Wissen wird Google im Weiteren entsprechend vermarkten und das will man seinen Mandantinnen und Mandanten eigentlich nicht zumuten – meldet man doch eigentlich direkt an Google: Herr X oder Frau Y bezieht ALG II.
Das Analyse-Tool läuft aktuell „nur“ auf 16,6 Prozent der .de-Domains und damit auf Platz 2 hinter dem Platzhirsch Google. Was kann Matomo besser als Google Analytics?
Aktuell das wichtigste Argument ist sicher der Datenschutz. Google Analytics hat dort zu viele offene Flanken. Kommt für Deutschland auch ein Verbot von Google Analytics, wird sich der Anteil von Matomo sicher schlagartig erhöhen. Meine Empfehlung ist auf jeden Fall: Lassen Sie Matomo – wenn Sie Google Analytics weiter nutzen wollen – als Zweitsystem neben Ihrem Google Analytics laufen, dann stehen Sie im Fall der Fälle nicht nackt da!
Zusätzlich wird ein anderes Argument im Laufe der nächsten Monate immer wichtiger: Google Analytics 4.0 steht vor der Tür und bei der Version 4.0 handelt es sich um ein absolutes Profi-Tool, mit dem der gelegentliche Analytics-User heillos überfordert ist. Analytics 4.0 hat nichts mehr mit dem aktuellen Analytics 3.0 gemeinsam – es gibt nicht einmal die Möglichkeit, die Daten von einem in das andere System zu übernehmen! Viele, die in den nächsten Monaten beim Blick ins neue Google Analytics nur noch Bahnhof verstehen, werden sich dann über andere Systeme informieren, die man auch als Laie versteht. Das wird Matomos Anteil ebenfalls vergrößern.
Matomo verfügt neben dem Tracking per Cookie auch über die Möglichkeit, mit Fingerprint zu tracken. Was ist das genau?
Jeder Computer, jedes Smartphone kann durch seine Marke, sein Betriebssystem, seinen Browser, seine Plug-ins, seine Spracheinstellungen etc. ziemlich genau identifiziert werden. Das ermöglicht es uns, wiederkehrende Besucherinnen und Besucher auch als solche zu erkennen oder aber Werbung auf anderen Websites als der eigenen auszuspielen. Dadurch kann das Tracking per Cookie also substituiert werden und sicher finden auch die gleichen Regelungen zum Datenschutz Anwendung – wenn es zum Fingerprint Tracking denn erstmal ein Urteil gibt.
„Bei Matomo spielt das Ausliefern von Werbung natürlich keine Rolle. Außerdem gibt es in Hinblick auf den Datenschutz ein wichtiges Feature: Der Fingerabdruck wird alle 24 Stunden gelöscht, so dass ein langfristiges Verfolgen von Nutzenden ausgeschlossen ist.“
Ob das absolut DSGVO-konform ist, ist nicht abschließend geklärt, allerdings ist klar: Man ist viel sicherer als bei Google Analytics, allein schon, da Matomo nicht zur Ausspielung von Werbung verwendet werden kann.
Die Analytics-Problematik ist sicher kein leichtgewichtiges Thema und deshalb biete ich Ihnen an: Wenn Sie als Leser oder Leserin von kanzleimarketing.de Fragen zum Thema Matomo haben, schreiben Sie mich einfach an (argo.berlin/kontakt/) ich helfe Ihnen gerne weiter.
Herr Fischer, vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Antworten!
Dietmar Fischer, Matomo Analytics: Das sichere Webanalyse-Tool anwenden und verstehen
Norderstedt 2022, ISBN 978-3-755723707, 228 Seiten (mit Abb.), 29,90 EUR.
Foto: Dietmar Fischer