Die Juristenausbildung vermittelt viel Fachwissen – bereitet aber weder auf die Selbstständigkeit noch auf betriebswirtschaftliche Themen oder eine gute Kanzleiorganisation vor. Betriebswirtin Jasmin Isphording ist seit über 20 Jahren Inhaberin der Kanzleiberatung Jasis Consulting und berät insbesondere kleine und mittlere Kanzleien. Im Interview verrät sie, wie sie mit ihrer ganzheitlichen Beratung dort ansetzt, wo der Schuh wirklich drückt – und Kanzleien dabei hilft, keine Chance auf einen besseren Kanzleibetrieb mehr auszulassen.
Frau Isphording, Sie haben sich mit Jasis Consulting auf die Beratung von Kanzleien spezialisiert. Warum diese besondere Zielgruppe?
Die Beratung von Anwaltskanzleien ist aufgrund der unterschiedlichen Rechtsgebiete, Mandate und Leistungen sehr vielfältig. Daher unterscheiden sich auch die Wachstumsmöglichkeiten und die Chancen für Kanzleimarketing, Zusammenschlüsse und Digitalisierung von Kanzlei zu Kanzlei. Diese Vielfalt und ständigen Veränderungen machen die Beratung auch nach 20 Jahren immer noch sehr lebendig und interessant für mich.
Den ersten Kontakt mit Kanzleien und den Besonderheiten des Kanzleibetriebs hatte ich Ende meines Studiums der Betriebswirtschaftslehre und während meiner Zeit in einem IT-Start-Up. Damals hatte ich selbst erlebt, wie wichtig es für einen Mandanten ist, sich gut aufgehoben und rechtlich gut vertreten zu fühlen.
Ebenfalls hatte ich beobachtet, dass viel Umsatzpotenzial ungenutzt blieb. Daraufhin habe ich mich näher mit den Besonderheiten beim Betrieb einer Anwaltskanzlei, dem Berufsrecht, dem Markt sowie der Juristenausbildung beschäftigt. Dabei hatte mich vor allem überrascht, dass die Juristenausbildung wenig an dem Bedarf des Anwaltsberufs ausgerichtet ist – auch nicht in Bezug auf betriebswirtschaftliche Themen. Ich habe mich darauf spezialisiert, Anwaltskanzleien (insbesondere kleine und mittelgroße) zu beraten. Mir liegt es am Herzen, dass Mandanten und Mandantinnen ihr Recht bekommen können, ohne dass Anwältinnen und Anwälte finanziell darunter leiden müssen.
Was genau bietet Ihre Beratung an?
„In kleinen Anwaltskanzleien greifen alle Bereiche ineinander und bedingen gegenseitig den Kanzleierfolg.“
Beispielsweise bringt das beste Kanzleimarketing nichts, wenn die Kanzlei bereits jetzt schon ausgelastet ist und mit weiteren Mandaten und Mandantinnen nur schlechte Kundenbewertungen und Fristversäumnisse riskiert. Andersherum bringt die beste Kanzleiorganisation nichts, wenn sich nicht um die Mandantenakquise gekümmert wird. Meine Beratung setzt da an, wo wirklich das Problem liegt.
Es ist mir wichtig, dass sich der Kunde oder die Kundin mit den Lösungen wohlfühlt und langfristig profitiert. Kurz erklärt: Im Marketing werden Lösungen entwickelt, die sich für den Kunden oder die Kundin gut anfühlen. Manche haben Probleme „laut“ aufzutreten, andere haben kein Budget oder tun sich schwer mit einer weiteren Schärfung des Profils oder der Zielgruppe – auch bei Social Media.
Ähnlich ist es bei der Kanzleiorganisation. Manche können besser abgeben oder loslassen als andere. Oder sie lassen sich eher und mehr auf die Möglichkeiten der Digitalisierung ein. Kanzleicontrolling wiederum gibt eine Rückmeldung zur Wirtschaftlichkeit der Mandate, Berufsträger:innen oder Marketingmaßnahmen und wann Auslastungsgrenzen erreicht wurden.
Diese Zusammenhänge in der Beratung zu erkennen hilft beim Wachstum, bei der Gründung oder im Rahmen von Entscheidungsprozessen wie einer Kanzleinachfolge oder Einschätzungen von Zusammenschlüssen.
In welchen Themenbereichen Ihrer Beratung arbeiten Sie selbst am liebsten?
Bevorzugt unterstütze ich in den Bereichen, bei denen der Kunde und sein Team so schnell und günstig wie möglich einen Nutzen spüren und die Ergebnisse direkt beeinflussen können.
„Meine 5-Phasen-Beratung lässt sich dabei im hektischen Alltag einer Kanzlei gut und einfach integrieren.“
Egal wie ausgereift die Digitalisierung bisher ist – schlankere oder effizientere Abläufe führen schnell zu mehr Umsatz und setzen neue Kapazitäten für die Bearbeitung von weiteren Mandaten, bessere Qualität und Zufriedenheit frei. So kann die Kanzlei zum einen von innen wachsen – auch durch Empfehlungen und Cross-Selling – und zum anderen, sich auch als Arbeitgeber einen besseren Ruf aufbauen. Kanzleien, die vor allem nach Gebühren abrechnen, profitieren besonders.
Was mögen Sie an der Zusammenarbeit mit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten besonders?
Ich mag die Zusammenarbeit mit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, weil ich ihnen mittels eines Einblicks in das Kanzleicontrolling mit klaren Antworten sowie dann mittels Justierungen bei der Kanzleiorganisation bei der Nutzung der vielen ungenutzten Chancen helfen kann. Es ist schön zu erleben, wenn alle Beteiligten vom Druck erlöst werden und ihr Tun wieder mehr genießen.
Auch im Kanzleimarketing bleiben viele Chancen ungenutzt. Viele haben bisher noch nicht ihr Profil oder die Positionierung im Markt für sich gefunden. Es ist außerdem schön zu sehen, wenn sich die Kundinnen und Kunden für die neuen Möglichkeiten öffnen, sie umsetzen und profitieren. Genau diese Offenheit für Veränderungen und Verbesserungen sowie den täglichen vollen Einsatz für ihre Mandantinnen und Mandanten mag ich ganz besonders.
Was hingegen mögen Sie an der Zusammenarbeit nicht?
Ich beobachte manchmal eine gewisse Skepsis gegenüber anderen Beratern oder Anbietern. Auch in Verbindung mit dem Blick auf die Kostenquote, vertun sie sich oft Chancen auf einen besseren Kanzleibetrieb, mehr Einkommen und eine gute Work-Life-Balance. Dabei sind Investitionen für Wachstum und Produktivität unerlässlich. Ein Fokuswechsel auf die Umsatzpotenziale würde Ergebnisse und Abstimmungsprozesse beschleunigen.
Was war bisher ihre ausgefallenste Idee für eine Kanzlei?
Jede Kanzlei ist anders und erhält individuelle Lösungen.
Vor allem bei der Mandantenakquise bin ich da kreativ und pragmatisch. Bei der Kanzleiorganisation sind es eher Muster, die ich dank meines Blicks von außen erkenne und für den Kunden nutze. Dabei liegt der Blick vor allem bei der Leistungserbringung, also den Arbeiten am Mandat – etwas, das heute auch als Legal Design bezeichnet wird.
Eine Idee, die ich in einer Beratung entwickelt hatte und die danach auch anderen sehr geholfen hat, ist die „Intelligente Wiedervorlage“. Dabei werden Wiedervorlagen anders als in den meisten Kanzleien genutzt: sinnvoller und sparsamer. Konkret wird dabei jeweils überlegt, was die nächsten beiden Schritte sind und was zu tun ist, wenn Fall A oder B eintritt. Dies setzt Ressourcen frei und beschleunigt die Bearbeitung.
Warum sollten Kanzleien auf spezialisierte Agenturen setzen?
Kanzleien sollten auf spezialisierte Dienstleister setzen, weil eine Anwalt- und Notarkanzlei nach anderen Regeln erfolgreich ist als andere, klassische Unternehmen. Als Beraterin für Anwalts- und Notarkanzleien kenne ich die Besonderheiten des Berufsrechts, der Mandantenakquise, der Mandats- und Fristenbearbeitung sowie der generell hohen Anforderungen. Dadurch erspare ich meinen Kundinnen und Kunden eine lange Einarbeitungszeit und biete schnellere Ergebnisse. Vor allem bei der Kanzleiberatung wächst der Nutzen durch die Spezialisierung stetig. Wer also auf Spezialisten setzt, minimiert Risiken und profitiert.
Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Antworten!
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