Übersetzen mit Ladebalken

Übersetzen oder adaptieren?

Wenn es um Marketingtexte für Kanzleien geht, sind gute fremdsprachige „Übersetzungen“ für Website, Broschüre & Co. unerlässlich, wenn man sich auf internationalem Parkett bewegt. Wenn es aber um die Übertragung von einer Sprache in eine andere geht, herrschen immer wieder Verwirrung und Unwissenheit über die Leistungen, die Sprachmittler so anbieten.

Im Mittelpunkt stehen dabei oft die Begriffe „Übersetzen“ und „Adaptieren“. Was hat es mit diesen beiden Tätigkeiten genau auf sich, und worin liegt der Unterschied? Wir bringen für Sie heute etwas Licht ins Dunkel.

Die Übersetzung: Warum ein Hühnerauge manchmal ein Elsterauge ist

Unter einer „Übersetzung“ versteht man eine wortgetreue Übertragung des Textes von einer Ausgangs- in eine Zielsprache. Jedes Wort, jeder Satz wird jeweils mit seiner korrekten Bedeutung übersetzt. Am Ende des Übersetzungsprozesses steht ein Text, der sich so weit wie möglich am Originaltext orientiert. Selbstverständlich grammatisch und orthographisch einwandfrei, und auch die gefürchteten „falschen Freunde“ sind korrekt übersetzt: Aus einem „eventuell“ wird also kein englisches eventually, sondern eher ein maybe oder perhaps. In vielen Fällen muss der Übersetzer überlegen und entscheiden, welche Übersetzungsmöglichkeit er wählen möchte: Bei der Übersetzung der deutschen „Marmelade“ etwa kommt es darauf an, aus welchen Früchten sie gemacht ist, da im Englischen zwischen marmalade und jam unterschieden wird. Auch geflügelte Wörter und Redensarten werden nicht Wort für Wort übersetzt, sondern mit einer Redewendung übertragen, die in der Zielsprache üblich ist: Während beispielsweise im Deutschen zu viele Köche den Brei verderben, sinkt im Arabischen wegen der vielen Matrosen das Schiff; im Französischen hat man statt eines Froschs eine Katze im Hals; die deutsche Gänsehaut entspricht der niederländischen „Hühnerhaut“ (und das Hühnerauge wiederum dem „Elsterauge“).

Im juristischen Bereich ist bei Übersetzungen ganz besonderes Fingerspitzengefühl gefragt.  Bereits für den deutschen Begriff des „Rechtsanwalts“ kommen im Englischen mindestens sechs Übersetzungsmöglichkeiten infrage: lawyer, advocate, attorney, barrister, solicitor und attorney-at-law, wobei etwa der Schwerpunkt eines solicitor auf der anwaltlichen Beratung liegt und die Vertretung der Mandanten vor höheren Gerichten traditionell dem barrister vorbehalten ist. Hier muss der Übersetzer anhand des Sachverhalts genau prüfen, welcher Begriff infrage kommt. Auch in der umgekehrten Richtung, bei Übersetzungen ins Deutsche, bereiten die Bezeichnungen von Ämtern und Institutionen oft Schwierigkeiten; hier wird als englischsprachiges Beispiel oft das board of directors genannt, das in der deutschen Rechtsordnung im Prinzip keine direkte Entsprechung findet, sondern die Funktionen sowohl eines Vorstands als auch eines Aufsichtsrats vereinigt.

Und auch in Texten mit rechtlichem Bezug können einem Übersetzer idiomatische Wendungen begegnen – etwa der pink slip, die amerikanische umgangssprachliche Bezeichnung für ein Kündigungsschreiben, der dem deutschen „blauen Brief“ nahekommt – oder auch Kurzwörter und Abkürzungen wie das SMIC, die französische Abkürzung für den gesetzlich festgelegten Mindestlohn.

Adaptieren: Das Gleiche meinen, aber anders sagen

Beim Adaptieren werden nicht nur solche sprachlichen Eigenheiten berücksichtigt, sondern zusätzlich noch kulturelle Unterschiede überbrückt. Solche kulturellen Unterschiede können sich ebenfalls bei praktisch jeder Sprachkombination ergeben und sind mit bestimmten Erwartungen auf der Seite des fremdsprachlichen Lesers verbunden. Zwar wird auch beim Adaptieren ein Text von der Ausgangssprache in die Zielsprache übertragen. Das geschieht aber unter der Prämisse, dass der Inhalt auf die spezifischen Bedürfnisse des Ziellandes abgestimmt ist. Vereinfacht könnte man den Unterschied zwischen Übersetzen und Adaptieren so darstellen: Bei einer Übersetzung steht der „Absender“ im Vordergrund, bei einer Adaption der „Empfänger“.

Die Zahl der Beispiele für kulturelle Unterschiede geht ins Unermessliche, da jedes Land seine eigenen gesellschaftlichen Gepflogenheiten und Traditionen besitzt: Angenommen, Sie besitzen einen Blumenladen, haben eine große Marketingaktion für Ihre aktuelle Weihnachtssternkollektion gestartet und möchten in Ihrer türkischen Dependance ebenso groß damit auftrumpfen. Ihr Slogan jongliert mit den beiden Hauptbegriffen „Stern“ und „Weihnachten“ – hierzulande ein naheliegendes Wortspiel, im Zielland werden Sie damit jedoch eher keinen Blumentopf gewinnen: Dort ist Weihnachten nicht so verbreitet wie bei uns, und das knallrote Gewächs heißt entsprechend auch ganz anders, nämlich „Atatürkblume“ (Atatürk çiçeği). Eine bloße Übersetzung würde nah am weihnachtlichen Wortspiel bleiben, Ihre Blumen aber möglicherweise wenig erfolgreich vermarktet verwelken; bei einer Adaption hingegen würde der kulturelle Unterschied berücksichtigt und eine Möglichkeit überlegt, wie Ihr Slogan auf die Kultur des Ziellandes zugeschnitten werden kann.

Was braucht man denn nun?

Es kommt stets darauf an, was der übersetzte oder adaptierte Text erreichen soll. In vielen Fällen ist eine möglichst wortgetreue Übersetzung wichtig, die sich nah am Originaltext bewegt. In anderen Fällen muss man sich vom Original lösen und den Text in den kulturellen Kontext der Zielsprache versetzen. Mancher Fachbegriff muss möglicherweise gar unübersetzt übernommen werden, da er in der Zielsprache keine Entsprechung findet, mancher Sachverhalt ist im Zielland unbekannt oder muss aus bestimmten Gründen umschrieben werden.

So wird auch im rechtlichen Bereich stets geprüft werden müssen, ob eine Übersetzung oder eine Adaption die bessere Wahl ist, denn letzten Endes hat vermutlich jedes Land seine eigene Rechtsordnung mit damit verbundenen Moralvorstellungen.

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