Personalmarketing

Der knallharte Kampf um Kandidaten und Mitarbeiter – Teil 1: Personalmarketing als Lösung?

Sie haben es wahrscheinlich auch schon erlebt: Begehrte Kandidatinnen und Kandidaten werden gleichzeitig von mehreren Kanzleien umworben und lassen sich mit Standardangeboten nicht mehr locken. Die Anzahl der Bewerberinnen und Bewerber auf eine Stelle sinkt immer weiter, während die Kosten für externe Recruiter steigen.

Talentierte und leistungsbereite Fachkräfte haben meist hohe Erwartungen an ihren künftigen Arbeitgeber. Dies bekommen auch Kanzleien immer stärker zu spüren. Dabei sind Spitzengehälter fast schon selbstverständlich, ebenso die Ausstattung mit Mobiltelefonen oder Laptops.

Auch der Verlust bestehender Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter trifft Kanzleien. Langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen erheblich zur Mandantenzufriedenheit bei und leisten somit einen wertvollen Beitrag zum Kanzleierfolg. Wenn sie die Kanzlei verlassen, geht oft Wissen verloren, das so schnell nicht von neuen Teammitgliedern ersetzt werden kann.

Wenn Sie das auch schon erlebt haben und bereit sind, gewohnte Pfade zu verlassen, lesen Sie bitte aufmerksam weiter. In einer zweiteiligen Serie erfahren Sie, wie Sie ein attraktiver Arbeitgeber werden, vorhandene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an sich binden und sich somit von der Konkurrenz abgrenzen.

Was Bewerberinnen und Bewerber heute fordern

Materielle Anreize sind jungen Nachwuchskräften nicht so wichtig, wie manch einer denken mag. Das Deutsche Absolventenbarometer hat 2018 ermittelt, welche Aspekte ihnen wichtig sind: Sie möchten zwar Karriere machen, aber nicht um jeden Preis. Jungjuristinnen und Jungjuristen ist eine ethische Arbeitsweise und fairer Führungsstil ebenso wichtig, wie attraktive Aufgaben, Kollegialität und ein gutes Betriebsklima. Viele möchten außerdem auf Ihre Work-Life-Balance achten. Das Einstiegsgehalt steht dabei an letzter Stelle der genannten Kriterien.

Warum es wichtig ist, ein attraktiver Arbeitgeber sein

Beim Personalmarketing treffen zwei Komponenten erstmals aufeinander: Die Aufgaben eines Personalers und die Aufgaben des Marketings. In vielen Kanzleien hat das Personalmarketing noch keine große Bedeutung. Die Ansätze des Marketings können jedoch erheblich dabei helfen – ähnlich wie Markenbildung für Produkte – eine Arbeitgebermarke zu kreieren und die Zielgruppe, die Kandidaten, an den sogenannten relevanten „Touchpoints“ abzuholen. Touchpoints sind alle Schnittstellen, die eine Kandidatin bzw. ein Kandidat zur Kanzlei hat. Das Personalmarketing hat somit die Aufgabe, die Bedürfnisse der Kandidaten und Mitarbeiter zu identifizieren und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

Gute Fachkräfte durch Wertschätzung binden

Den Anwälten und Anwältinnen bzw. Kanzleimitarbeiterinnen und -mitarbeitern die bereits in der Kanzlei arbeiten, wird meist wenig Beachtung geschenkt. Auch hier ist es wichtig zu überlegen, wie man Ihnen Wertschätzung entgegenbringt, sie motiviert und mehr Zufriedenheit erreichen kann. Die Mitarbeiterbindung ist ein fortwährender und dynamischer Prozess. Der Verlust von Mitarbeitern muss unbedingt verhindert werden, um getätigte Investitionen nicht zu verlieren. Denn der Such- und Auswahlprozess für neue Kandidaten ist aufwendig und teuer.

Phasen der Präferenzbildung und Candidate Experience verstehen

Bevor man nun anfängt, ungeplant Maßnahmen und Aktionen zu entwickeln, muss man die Phasen verstehen, in denen sich ein/e (potenzielle/r) Bewerber/in oder eine bestehende Mitarbeiterin/ein bestehender Mitarbeiter befindet.

Im Marketing hat sich der Begriff Customer Experience geprägt, der beschreibt, mit welchen Touchpoints ein Interessent oder Kunde in Bezug auf ein Produkt oder eine Dienstleistung mit dem Unternehmen in Berührung kommt. Im Personalmarketing heißt der Prozess Candidate Experience.

Christoph Beck hat dazu ein interessantes Modell entwickelt, das Präferenzmodell, das erklärt, in welchen Phasen sich eine Person jeweils befinden kann (siehe Abbildung unten). Interessant ist auch, dass viele Arbeitgeber nicht an ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter denken, denn auch diese kann man erneut für sich gewinnen. Beck zeigt, dass in jeder Phase eine Präferenz-Entscheidung getroffen wird. Es können für jede Phase entsprechende Maßnahmen getroffen werden. Eine Beschäftigung und Analyse der Phasen, in denen sich Ihre Kandidaten/innen, Bewerber/innen und Mitarbeiter/innen befinden, kann helfen, Probleme zu identifizieren und entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

 

Präferenzmodell

In Anlehnung an Beck, Christoph 2012, S. 23-3
Beck, Christoph (Hrsg.): Personalmarketing 2.0 – Vom Employer Branding zum Recruiting, 2. Aufl., Köln: Wolters Kluwer, S. 9-69. 2012

 

In der Checkliste finden Sie erste Schritte zur Analyse. Zuerst sollten Sie den aktuellen Status Quo ermitteln. Was denken Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über Ihre Kanzlei? Wie wirken Sie auf Bewerberinnen und Bewerber? Sie werden staunen, zu welchen Erkenntnissen Sie gelangen. Danach überlegen und halten Sie fest, wie Ihre Candidate Experience aussieht. Danach legen Sie Ziele fest, die mit Ihren Unternehmenszielen vereinbar sind.

Lesen im zweiten Teil wie Sie auch mit einem kleinen Budget als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen werden und Maßnahmen für potenzielle und bestehende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kreieren können. Dazu muss Ihre Kanzlei nicht zu den größten und bekanntesten Europas gehören. Auch mit wenigen Mitteln können Sie viel erreichen.

To-do-Liste Teil 1: Analyse und Ziele

  • Status Quo bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ermitteln, z. B. mit einer anonymen Mitarbeiterbefragung. Fragen Sie bestehende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, warum sie von Ihnen als Arbeitgeber überzeugt sind und was sie sich wünschen.
  • Status Quo bei Kandidatinnen und Kandidaten ermitteln, rufen Sie z. B. Kandidaten an, die Ihr Angebot nicht angenommen haben und fragen Sie nach.
  • Candidate Experience aufschreiben: Überlegen Sie, an welchen Stellen eine Kandidatin bzw. ein Kandidat mit Ihrer Kanzlei in Kontakt kommen könnte, z. B. Internetrecherche, Portale, Veranstaltungen, Bekannte etc.
  • Ziele definieren: Was möchte ich bis wann erreichen? Ziele ehrlich und realistisch formulieren.

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