Kanzleifotos

„Die Mandantschaft fühlt sich wohl, ohne genau zu wissen weshalb“

Fotograf Max Ott über die Wirkung von Kanzleifotos

Wenn Mandanten und Mandantinnen Sie in Ihren Kanzleiräumen besuchen, sollten Kanzleien nicht nur auf gute Rechtsberatung setzen: Das Dekorieren der Wände mit Kanzleifotos hilft, den Charakter und den Schwerpunkt der Kanzlei zu porträtieren – und kann dadurch eine nachhaltig positive Wirkung auf die Mandantschaft haben. Fotos können, so Fotograf Max Ott, den „Spirit“ der Kanzlei einfangen. Im Interview steht der Fotograf, Kommunikationsdesigner und Künstler Rede und Antwort zum Thema Kanzleifotos.

Herr Ott, Sie sind Fotograf und statten Arztpraxen, Finanzdienstleiter, Architekten aber auch Kanzleien immer wieder mit großformatigen Fotos und Fotoserien aus. Wie sieht die Zusammenarbeit mit Kanzleien aus? Kommt jemand auf Sie zu und sagt: Wir haben viele große, weiße Wände – wir wollen gerne Kanzleifotos?

(lacht) Ja tatsächlich, das passiert sehr häufig! Meine Kundschaft wird entweder über meine Ausstellungen oder über Referenzprojekte, die sie besuchen, auf mich aufmerksam. Echte Kaltakquise jedenfalls kommt bisher in meinem Wirken höchst selten vor.

Kommt ein Kontakt zustande, setze ich mich mit den Entscheidungsträgern zusammen und erörtere z. B. was der Spirit der Kanzlei ist, welche Themen wichtig sind und wie wichtig der lokale Bezug zum Standort ist. So kann es sein, dass eine Kanzlei mehrere Niederlassungen deutschlandweit hat: Dann bietet sich natürlich an, auch die anderen Standorte fotografisch als Referenz zur Bebilderung in Betracht zu ziehen. Dadurch, dass ich sowohl in der klassischen Fotografie als auch in der künstlerisch/experimentellen Fotografie Expertise habe, überprüfen wir im Gespräch ebenfalls, ob eine metaphorische, abstrakte oder doch klassische Motivwahl sinnvoll ist.

Je nach Räumlichkeiten biete ich dann diverse Zusammenstellungen von Bildern an, also quasi wie ein Kurator einer Ausstellung. Sofern dann noch die Bildträger, meistens Aluverbundplatten, geklärt sind, kümmere ich mich um die Produktion bei einem Dienstleister, der dann meistens auch die Bilder an der Wand anbringt.

Meine Kunden und Kundinnen schätzen die Homogenität sowohl in der künstlerischen Qualität als auch in der Materialanmutung. Die größte Kritik meines Professors, während ich Kommunikationsdesign an der Hochschule München studierte, war das Urteil: „Für ein Fünferl (bayerisch für: fünf Pfennige) durcheinander!“ Das habe ich mir seitdem immer zu Herzen genommen, bei jedem Projekt eine klare, inhaltliche und ästhetische Linie zu verfolgen.

Welche Wirkungen haben Ihrer Meinung nach Fotoserien, die in Kanzleien hängen?

Nun, wie ich gerade schon sagte: eine konsistente Gestaltung, die einen unverwechselbaren Bezug zu den Inhabern sowie der Mandantschaft hat, die in allen Fluren und Besprechungsräumen vorherrscht. Ein sehr großes Projekt war beispielsweise eine Steuer- und Wirtschaftsprüfungskanzlei in München, die 30 Meter lange Flure hat, einen dezidierten Wartebereich für Mandanten und Mandantinnen, eine Rezeption und vier Besprechungsräume, wobei der größte 30 m² misst.

Die Wirkung war, dass anhand unserer Gespräche und meinen Motivangeboten die vier Inhaber überzeugt wurden, dass es sich nicht nur um eine dekorative Angelegenheit handelt, sondern tatsächlich eine Dramaturgie vom Empfang über den Wartebereich bis in die Besprechungssituation stattfinden muss.

Dadurch, dass sich der Kunde zu einem direkten München-Bezug entschieden hatte, war die Dramaturgie folgende: An der Rezeption und in den Fluren hängen vorrangig Bilder, die in der näheren Umgebung der Kanzlei entstanden sind – quasi als Wiedererkennung. Im Wartebereich sind etwas komplexere und rätselhaftere Detailfotos von München, um die Wartezeit zu überbrücken. Meine Idee, den Besprechungsräumen Namen zu geben, wie zum Beispiel Olympiapark, Nymphenburg, Englischer Garten etc. stieß auf Zustimmung. In diesen Räumen sind natürlich dann die entsprechenden Bilder.

Die Wirkung auf die Mandantschaft ist sehr gut, das Projekt habe ich vor circa sechs Jahren realisiert und bekomme regelmäßig aktives Feedback von der Kanzlei, dass sich die Mandanten und Mandantinnen sehr wohl fühlen, ohne genau zu wissen „weshalb“. Einige Klienten erkennen aber die Dramaturgie und erwähnen sie als außergewöhnlich gelungen. Und die Inhaber und die Mitarbeitenden sehen sich nun seit Jahren nicht „satt“ an dem Konzept.

Die Wirkung ist also nachhaltig positiv, sowohl für das tagtägliche unternehmensinterne Wohlgefühl und Selbstverständnis als auch die Wirkung auf die Mandantschaft. Vorgestern erhielt ich übrigens einen Anruf von einer ehemalig dortigen Mitarbeiterin, die nun in einer anderen großen Steuerkanzlei arbeitet. Sie fragte an, ob ich auch für ihre neue Firma gestalterisch tätig werden kann.

Kann auch eine kleinere Kanzlei ein solches Projekt angehen? Lohnt sich der Aufwand auch bei kleineren Formaten und einer geringen Stückzahl an Bildern?

Absolut! Es geht letztendlich nicht um die Anzahl der Bilder, sondern ob die Bilder oder sogar nur „das einzelne Bild“ eine nachhaltige ästhetische Anmutung hat, die den Charakter und den Schwerpunkt der Kanzlei besonders gut porträtiert.

Letztes Jahr hatte ich genau diesen Fall. Es handelte sich um eine Unternehmensberatung, die sehr puristisch eingerichtet ist. Die beiden Geschäftsführer hatten entschieden, nur ein einziges Bild aufzuhängen, da war natürlich der Entscheidungsprozess etwas länger, aber ich denke, dass nun wirklich das perfekte Bild das Büro am Hamburger Jungfernstieg schmückt.

Herr Ott, vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Antworten.

Foto: Adobe Stock/©Prostock-studio