Websites barrierefrei zu gestalten, wird für etliche Unternehmen ab Mitte 2025 Pflicht. Auch Kanzleien können verpflichtet sein, Teile ihres Webauftritts barrierefrei zu gestalten. Darum ging es bereits vor zwei Wochen im Beitrag „Barrierefreie Kanzleiwebsite Teil I: Kann oder Muss?“ Bisher unbeantwortet geblieben sind in diesem Beitrag zwei wesentliche Fragen: Was sind die Kriterien, die eine Website barrierefrei machen? Und: Ist es sinnvoll, eine Website barrierefrei zu gestalten, selbst wenn man dazu nicht verpflichtet ist?
Was macht eine Kanzleiwebsite barrierefrei?
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) definiert Barrierefreiheit wie folgt:
Laut BFSG sind
Etwas klarer wird das Thema, wenn man die wichtigste internationale Richtlinie für die Umsetzung barrierefreier Websites zu Rate zieht, die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1. Hier ist festgelegt, wie Websites gestaltet sein bzw. entwickelt sein müssen, um auch für Nutzerinnen und Nutzer mit körperlichen oder kognitiven Einschränkungen ohne Hindernisse zugänglich zu sein.
Vier Grundprinzipien der WCAG
Geht es um die barrierefreie Gestaltung von Websites, kennen die WCAG vier Grundprinzipien, um eine uneingeschränkt nutzbare Website zu gestalten und so Menschen mit Beeinträchtigungen digitale Teilhabe zu ermöglichen:
„Wahrnehmbarkeit“
Inhalte einer Website müssen von Menschen mit Wahrnehmungsdefiziten wahrgenommen werden können: Für Menschen mit Sehbehinderungen sollten Alterativtexte für Bilder hinterlegt sein, Videos mit Untertiteln bestückt sein (Zwei-Kanal-System). Farbkombinationen sollten ausreichend kontrastreich sein, Textgrößen anpassbar etc.
„Bedienbarkeit“
Auch Menschen mit (motorischen) Einschränkungen sollen Websites gut nutzen können, Websites sollten deswegen z. B. auch über die Tastatur navigierbar oder Zeitbegrenzungen für Interaktionen (Logout etc.) lang genug sein etc.
„Verständlichkeit“
Kognitive Einschränkungen oder Sprachbarrieren machen Inhalte für viele Meschen schwer verständlich. Um das zu vermeiden, gilt es Websiteinhalte leicht nachvollziehbar zu strukturieren, auf „einfache Sprache“ zu setzen.
„Robustheit“
Unter Robustheit versteht man eine hohe Kompatibilität der bereitgestellten Inhalte z. B. mit Webbrowsern und assistiven Technologien wie Screenreadern. Hier geht es in erster Linie um die korrekte bzw. konsistente technische Umsetzung, also z. B. einheitliche Nutzung von HTML usw.
Macht Barrierefreiheit insgesamt Sinn – unabhängig von der Pflicht?
Will man (s)eine Website ganz oder teilweise barrierefrei gestalten, ist das ein echtes Projekt, der zeitliche, technische und damit finanzielle Aufwand ist vor allem bei größeren Websites nicht zu unterschätzen.
Sollte man das also auf sich nehmen, wenn man dazu gar nicht verpflichtet ist? Und hat es Vorteile, auf eine barrierefreie Kanzleiwebsite zu setzen?
Die Antwort auf die zweite Frage lautet: Ja, eine barrierefreie Kanzleiwebsite hat Vorteile!
Je nach Beratungsangebot verbessern Sie durch eine bessere Bedienbarkeit der Website den Komfort für Ihre Zielgruppe bzw. Teile Ihrer Zielgruppe: Menschen mit Behinderungen, aber auch Ältere oder Nicht-Muttersprachler.
Außerdem ist eine barrierefreie Internetseite unter dem Strich besonders nutzerfreundlich, weil die Struktur übersichtlich ist und die Inhalte verständlich aufbereitet sind. Das gilt vor allem auch für die mobile Nutzung, wenn die Inhalte über Responsive Design auch auf kleinen Displays gut erfassbar sind und Kontraste auch bei schlechten Lichtverhältnissen für eine gut Erkennbarkeit sorgen.
Und nicht zuletzt trägt eine barrierefreie Websitegestaltung durchaus zur Suchmaschinenoptimierung der Kanzleiwebsite bei: Denn einen strukturierten, konsistenten Code, klare Strukturen, schnelle Ladezeiten, Alternativtexte etc. liebt auch Google…
Und meine Antwort auf die erste Frage?
Ja, es kann sich lohnen auf Barrierefreiheit zu setzen, auch wenn man nicht dazu verpflichtet ist. Es hängt aber – unabhängig von der Frage, ob man mit einer barrierefreien Website soziale Verantwortung übernehmen will – m. E. auch von der Zielgruppe ab:
Wer überwiegend Privatpersonen aller Altersklassen unterstützt hat mehr Vorteile als Nachteile durch einer barrierefreie – oder nennen wir es eine uneingeschränkt nutzerfreundliche – Kanzleiwebsite. Für andere Kanzleien stellt sich die Frage weniger. Eine barrierefreie Website ist aber in gerade Zeiten einer interessierten, informierten und bewussten Öffentlichkeit für alle Kanzleien auch ein Zeichen nach Außen – in Richtung Mandantinnen und Mandanten und: in Richtung Bewerberinnen und Bewerber …
Checkliste: erste Schritte zur barrierefreien Kanzleiwebsite
Wer seine Kanzleiwebsite barrierefrei gestalten will, kann u. a. zunächst auf diese Aspekte achten:
- Textalternativen für Bilder und Medien
Sorgen Sie für prägnante Beschreibungen, die Inhalt und Funktion des Bildes vermitteln (sog. Alt-Tags).
- Audiodeskriptionen für Videos
Versehen Sie Videos mit Untertiteln, damit auch Gehörlose die Inhalte wahrnehmen können.
- Klare Website-Struktur
Überprüfen Sie, ob Ihre Kanzleiwebsite einfach und logisch aufgebaut ist und man leicht navigieren kann.
- Verständliche / einfache Sprache
Setzen Sie auf kurze Sätze, wenige Fremdwörter und Fachbegriffe. Das freut nicht nur Menschen mit Sprachschwierigkeiten und kognitiven Beeinträchtigungen. Alternativ können Sie ihre Website mit einer zweiten Sprachfassung versehen – Deutsch und „einfache Sprache“.
- Keyboard-Navigation
Kümmern Sie sich darum, dass alle Funktionen der Website auch über die Tastatur zugänglich sind, nicht nur mithilfe der Maus.
- Kontrastreiche Farbgestaltung
Sorgen Sie für ausreichend Kontrast zwischen Text und Hintergrundfarbe und dafür, dass bestimmte Aktionen nicht nur über Farbänderungen wahrnehmbar sind (z. B. bei Links).
- Klare Formulare
Sind Formulare auf Ihrer Website verständlich, können Userinnen und User leicht nachvollziehen, wo was zu tun ist und was die Folge ist?
- Links und Buttons
Ist klar, wohin interne / externe Links verlinken? Sind Schaltflächen und Buttons klar erkennbar und weit genug voneinander entfernt?
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